Ich bin ja sonst nicht so für Schreibtipps. Erstens gibt’s genug davon, zweitens kann man sich damit auch völlig irre machen. Und trotzdem sind jetzt welche fällig.
Ich habe nämlich neulich ein ebook bei Amazon heruntergeladen, für lau, nachdem es mir von einer Bekannten empfohlen wurde. Und ich dachte, für null Euro kann man nichts falsch machen. Das war ein Fehler …
Die Geschichte war auf Englisch, und dazu noch über Drachen. Mir gefiel die Grundidee, auch die Handlung war nett genug. Und die Welt, in der das Ganze spielte, war auch interessant.
So habe ich mich durch das Buch gequält. Es grenzte an Folter.
Die Sprache war nämlich unglaublich grottig. Ihr wisst ja, dass ich Englisch einfach liebe und die vielen Ausdrucksmöglichkeiten genieße. Und nun las ich einen Text, der auf dem Niveau eines Viertklässlers geschrieben war. Das tat richtig, richtig weh. Ich wünschte der Autorin dringend ein Lektorat … aber das war ja zu spät. Und so habe ich daraus eine Liste von Schreibtipps gemacht, damit uns vielleicht weitere Bücher dieser Art erspart bleiben. Also …
1) Schreibt BITTE NICHT IM PRÄSENS. Ich weiß, es fühlt sich am Anfang ganz speziell an, ich habe das auch gemacht. Und damit ihr nicht alles umschreiben müsst, sage ich gleich: Lasst es. Es liest sich schlecht. Und es weckt den Eindruck, dass ihr die Grammtik nicht gut genug beherrscht. In den allermeisten Fällen ist ein Text im Präsens ein deutliches Zeichen für einen Anfänger und Amateur. Also noch einmal: Lasst es. Bitte.
2) Lest die Geschichte laut, bevor ihr sie irgendwo einreicht. Wenn ihr euch schon beim dritten Absatz langweilt, ist etwas falsch gelaufen.
3) Nutzt die vielen Möglichkeiten eurer Sprache und spielt mit den Sätzen. Dauernd “Er tat dies, sie sagte das” ist einfach nur öde.
4) Lasst eure Szenen leben und erzählt nicht einfach nur. Auf Englisch sagt man “Show, don’t tell.” Im Prinzip ist das der Unterschied zwischen “XYZ sah ABC traurig an.” und “XYZ atmete scharf ein und blickte rasch in den Himmel, damit ABC ihre Tränen nicht bemerkte.”
5) Liebt die Sprache, in der ihr schreibt. Lest so viel ihr könnt, spielt mit den Worten, schaut euch ab, wie erfolgreiche Autoren arbeiten. Schreiben heißt mit Worten malen. Wie schade, wenn es nur wenig Farbe in euren Texten gibt. Lernt neue Ausdrücke, Sprichworte, Synonyme – Sprache bietet so viel. Und auf diese Weise wachst ihr locker über das Niveau eines Viertklässlers hinaus.
6) Wenn ihr – z.B. für Fantasy – eine altertümliche Sprache verwenden wollt, dann recherchiert das. In diesem Fall hat die Autorin die alten englischen Pronomen thou, thee, thy und thine praktisch unterschiedslos verwendet, statt sich die Grammatik dafür anzueignen. Auch das ist ein Zeichen für einen Amateur.
Ja, ich habe fast alle diese Fehler auch begangen. Das ist normal, Schreiben ist ein Handwerk, und der Umgang mit dem Werkzeug Wort bedarf der Übung. Mit der Zeit wird man besser, aber das ist ein Prozess. Ich hoffe jedenfalls, dass euch diese kleine Liste viel Arbeit und Übungszeit erspart.
Die Autorin, die mich zu dieser Liste inspiriert hat, soll hier namenlos bleiben. Ich wünsche ihr viel Übung und … gute Besserung.
*Bild von Pati Montano, Wikimedia Commons
Hallo Hannah! Danke, dass du deine Tipps teilst. 🙂 Punkt 1 finde ich aber etwas streng. Gerade in Kombination mit einem Ich-Erzähler kann Präsens wie ein direkter Blick in den Bewusstseinsstrom der erzählenden Figur wirken. Präsens ist zwar speziell, aber hat meiner Meinung nach schon seine Berechtigung als Erzähltempus. – Oder sind die Hinweise nur aufs Englische bezogen? Da habe ich keine Erfahrungen mit.
Hi Edward,
ja, ich bin mit dem Präsens etwas streng, weil ich das immer wieder bei Anfängern sehe – und auch selbst ursprünglich in die Falle getappt bin. Damals hatte ich das Gefühl, etwas Besonderes zu schreiben …
Natürlich gibt es gute Gründe, das Präsens in Erzählungen zu verwenden. Ich habe selbst eine Geschichte geschrieben, in der das Präsens zwingend nötig ist, damit sie funktioniert. Aber ich sehe immer wieder ganze Romane im Präsens, die in der Vergangenheit besser wirken würden. Gerade im Englischen ist das noch ausgeprägter. Ich habe da ein bisschen die Vermutung, dass manche sich vor der Grammatik der Vergangenheitstempi scheuen, die im Englischen ja ein bisschen komplizierter ist.
Hi Hannah, als ich das erste Mal eine Geschichte in Präsens gelesen habe, war das auch eine besondere Erfahrung für mich. Alles wirkte so nah und so direkt. Wie unmittelbar aus dem Bewusstsein des Ich-Erzählers.
Aber Vergangenheit als Erzählzeit ist wirklich viel einfacher umzusetzen und als Schreibtipp daher gut geeignet (soweit ich das beurteilen kann/darf).
Hi Edward,
genau, die Erfahrung, die du gemacht hast, ist der Grund warum Präsens für manche Geschichten gut funktioniert. Trotzdem denke ich, dass es besser ist, erst die “klassische” Erzählkunst zu üben, ehe man dann anfängt, mit den Möglichkeiten richtig viel herumzuspielen. Wie gesagt, es gibt eine Geschichte von mir, die tatsächlich nur im Präsens hinkommt, weil man ganz nahe am Bewusstsein des Ich-Erzählers sein muss. Aber ich habe die Erzählzeit erst gewählt, nachdem mir ein Logikfehler aufgezeigt wurde, der nur mit dem Präsens zu beheben war.
Danke dir!