Einige meiner Figuren habe mir etwas über ihren Hintergrund erzählt, wenn auch bei weitem nicht alle. Aber eines Nachts, als ich nicht schlafen konnte, kam Silven, die Stallmeisterin auf Lar Elien, und erzählte mir, warum sie so gut auf Andert aufpasst.
Silven ist dankbar, für Graf Willomar arbeiten zu können. Sie stammt aus einer fahrenden Familie von Kunstreitern. So ist Silven also mit Pferden großgeworden und war als junges Mädchen für eine Weile die Hauptattraktion ihrer Truppe. Sie kann im Galopp auf dem Pferderücken stehen und noch vieles mehr. Aber Silven gehört zu den Frauen, die Frauen lieben, und das war in der Truppe nicht gerne gesehen. Ihr Vater wollte sie mit dem Sohn eines Freundes verheiraten, und eines Tages kamen er und ein paar andere Männer im betrunkenen Zustand auf den Gedanken, sie auf die Hochzeit “vorzubereiten”, damit sie “auf den Geschmack kommt”. Völlig entsetzt und verstört floh Silven mit ihrem Lieblingspferd aus dem Lager.
Sie schlug sich einige Jahre alleine durch, ständig bedroht, ständig in Angst, wieder von Männern angefallen zu werden. Sie zeigte ihre Kunststücke, bildete Pferde aus und zog schnell weiter, wenn die Blicke der Männer anzüglich wurden. Ihre Schönheit war ihre größte Gefahr und gleichzeitig ihre wichtigste Attraktion. So kleidete sie sich außerhalb ihrer Auftritte ärmlich und verbarg ihr Gesicht so oft es ging. Eines Tages kam Silven nach Lar Elien. Sie machte Rast am Brunnen und tränkte ihre Pferde, als ein Paar vorbeiritt. Silven sah auf, blickte in die grauen Augen der Frau und verliebte sich auf der Stelle in sie. Es war ihr an dem Tag nicht möglich, Lar Elien zu verlassen.
Am nächsten Tag brach eine Jagdgesellschaft von der Burg auf, unter ihnen wieder das Paar, aber auch zwei Jungs. Silven folgte ihnen heimlich. Sie konnte einfach die Frau nicht aus den Augen lassen. Und so war sie zur Stelle, als das Pony eines der Jungen durchging. Silven fing das Pony ein, gerade als der Junge den Halt verlor und drohte, am Steigbügel mitgeschleift zu werden. Silven wurde von Graf Willomar zum Dank in die Burg eingeladen. Dort entdeckte sie, dass sie sich in die Gräfin Alenna selbst verliebt hatte.
Der alte Stallmeister war krank und daher mehr als glücklich, als Silven anfing, sich im Stall nützlich zu machen. Nach wenigen Wochen wollte er sie nicht mehr missen und bat Graf Willomar, die Kunstreiterin auf der Burg zu halten. Silven wiederum ergriff die Chance, in Alennas Nähe zu blieben, obwohl sie wusste, dass die Liebe zu ihr niemals erwiedert werden konnte.
Umso größer war Silvens Trauer, als Alenna bei der Geburt ihres ersten Kindes starb. Es dauerte lange, ehe sie sich überwinden konnte, den Kleinen anzusehen. Doch sie war es Alenna schuldig, das Kind zu würdigen, bevor sie Lar Elien verlassen wollte. Ihr Herz setzte aus, als der kleine Junge sie mit Alennas grauen Augen ansah. In dem Moment war Silven klar, dass sie für Alennas Kind sorgen wollte. So blieb sie auf Lar Elien und versuchte, Andert so gut es ging die Mutter zu ersetzen.
Graf Willomar machte Silven zu Stallmeisterin, als ihr Vorgänger zu krank wurde, um noch durch den Stall zu gehen. Willomar wurde dafür zunächst verspottet, aber er stand zu Silven und inzwischen streitet niemand mehr ab, dass sie ihre Arbeit hervorragend macht.
Obwohl Silven jetzt eine sichere Position hat und sich nicht mehr bedroht fühlt, hält sie sich weiter fit und kampfbereit. Ihrem jeweiligen Pferd bringt sie immer einige Tricks bei. Und es kommt tatsächlich der Tag, an dem Silven alle ihre Kunststücke braucht und ihr Leben auf’s Spiel setzen muss, um Andert zu warnen und Lar Elien zu retten.
Wenn Andert das erste Kind von Alenna ist, verstehe ich aber nicht, warum seine Brüder so sauer auf ihn sind. Ich hatte gedacht, weil er ihnen durch seine Geburt die Mutter genommen hätte, das war aber dann wohl eine andere.
Alenna war Willomars zweite Frau, die Liebe seines Lebens. Die Brüder sind auf Alenna sauer, als Stiefmutter, die ihre Mutter ersetzt hat, und sozusagen übertragen auf Andert. Gerade Ingur hat ihn nie als echten Bruder sehen wollen, sondern nur als Eindringling.