Der Duft der Rose

Dieses Mal waren es zwei Dinge, die mich inspiriert haben. Erstens war ich letzte Woche rollenspielmäßig unterwegs, in einem Google-Hangout. Und mein Spielleiter beschrieb in drastischen Worten den Geruch des Schleims, durch den meine Figur krabbeln musste, um einen Tunnel zu untersuchen. “Riecht wie gammeliger Fisch”, sagte er, und ich musste mich schütteln.

Balkon-Rose

Meine Balkon-Rose

Zweites blühen gerade meine Rosen auf dem Balkon. Es gab eine Zeit, da mochte ich Rosenduft nicht, aber das hat sich geändert. Jetzt schnuppere ich jeden Morgen an den Blüten. Kein Wunder, dass man im Mittelalter gerne nach Rosen duften wollte! Noch heute wird aus den Blütenblättern der Damaszener-Rose der Grundstoff für viele Parfüme gewonnen. Damit können meine Rosen nicht mithalten, aber das macht nichts.

Der Geruchssinn ist derjenige unserer fünf Sinne, der seine Informationen direkt ins Gehirn schickt, ohne Bearbeitung durch unser Bewusstsein. So sind die Nerven verdrahtet. Daher können Gerüche eine mächtige Wirkung entfalten. Habt ihr jemals am Schal eurer Großmutter oder eures Großvaters geschnuppert, und sie vielleicht dabei vermisst? So mächtig ist Geruch. Ich selbst bin einmal von meinem Geruchssinn geweckt worden – Brandgeruch. (Ich habe die Feuerwehr gerufen und so ein fieses Feuer im Nachbarhaus verhindert. Es brannte zwar die Kücheneinrichtung, aber die war schnell gelöscht.)

Mir wurde die Bedeutung des Geruchssinn besonders klar, als ich ihn für etwa ein Jahr auf Grund einer Nebenhöhlenentzündung verloren habe. Das Essen schmeckte einfach nur fade, so dass ich auf meine Geschmackserinnerungen angewiesen war, um es zu genießen. Richtig schmecken konnte ich nämlich nur noch süß, sauer, bitter und salzig. Kein Blumenduft kam im Sommer mehr an.  Meine Welt war leerer geworden. Daher war es umso schöner, als ich endlich wieder richen konnte. Ich habe mich sogar über ekligen Zigarettengeruch gefreut. Jetzt nehme ich Gerüche um mich herum wesentlich bewusster war und bin stolz darauf, wie gut ich wieder riechen kann. Ich finde es sogar spannend, dass mir künstliche Gerüche wie z.B. Raumsprays wesentlich unangenehmer sind als gemeinhin als unangenehm bezeichnete natürliche Gerüche. (Ja, auch der Misthaufen fällt darunter!) Daher verwende ich auch kaum Duftkerzen.

Jetzt aber zum Schreiben! Mir fallen gerade nur wenige Bücher ein, in denen auch der Geruchssinn berücksichtigt wird. Ein ganz besonderes Beispiel ist “A Wind in Cairo” von Judith Tarr (leider nicht in deutscher Übersetzung vorhanden). Sie benutzt Geruch als ein Hauptmerkmal, um die Welt von Khamsin zu beschreiben, dem Prinzen, der in ein Pferd verwandelt wurde.

“Al-Zaman scrambled back, stumbling, dropping his sword. Khamsin laughed at the fallen jaw, the hand flung up in feeble defense, the stink of fear.
[…]
Zamaniya wanted to be angry: it was in her voice. But her scent was half fear, half perilious mirth.”

Übersetzung (von mir):
Al-Zaman wich zurück, stolperte, ließ sein Schwert fallen. Khamim lachte über das heruntergesackte Kinn, die in hilfloser Abwehr erhobene Hand, den Gestank der Angst.
[…]
Zamaniya wollte wütend werden: Es schwang in ihrer Stimme mit. Aber ihr Geruch bestand zur Hälfte aus Angst und zur Hälfte aus gefährlichem Gelächter.

Ich finde, diese Erwähnung vom Gestank der Angst vervollständigt die Bedrohung, die Khamsin in diesem Moment darstellt. Und der Geruch von Zamaniya, so wie Khamsin ihn wahrnimmt, gibt dem Leser eine Information, die den anderen Figuren in der Geschichte vorenthalten bleibt.  Sehr clever!

Natürlich verwende ich auch nicht oft genug Gerüche in meinen Geschichten. Aber ich glaube, es ist wichtig, daran zu denken, weil Düfte und auch Gestank eben ganz grundlegende Bestandteile unserer Wahrnehmung sind. Ich jedenfalls nehme mir vor, den Geruchssinn besser zu bedienen und meine Fantasywelten noch runder zu gestalten.

About Hannah Steenbock

Hannah Steenbock is an author, dreamer, and coach. She has published several short stories in English and German, as well as one novel in German. In 2013 she started self-publishing her work. In 2014, she has won two awards for her short story "Sequoia".
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