Ein Buchhändler, mit dem ich ein wenig befreundet bin, hat sich vor Kurzem (wieder einmal) öffentlich darüber beschwert, dass Menschen bei Amazon einkaufen. Das ist nämlich schlecht, weil darunter doch die Kultur leidet. Und ein Buchhändler sowieso.
Und das hat bei mir einen Nerv getroffen.
Denn ich kaufe bei Amazon ein.
Ziemlich oft sogar. Und ziemlich oft sogar Bücher.
Und ich habe dafür verdammt gute Gründe, lieber Buchhändler. Hier sind sie:
Fremdsprachige Bücher
Ich lese nun einmal vorzugsweise Bücher auf Englisch. Die bekommt man in deutschen Buchhandlungen schlecht bis gar nicht. Und wenn man sie doch bestellen kann, dann dauert es sechs Wochen, und der Preis ist überteuert. Das liegt daran, dass in der Regel aus England importiert wird, wo Bücher deutlich teurer sind als in den USA.
Bei Amazon bekomme ich dieselben Bücher innerhalb von drei Tagen und im Durchschnitt zwei Drittel günstiger als im Buchhandel vor Ort. Das ist für Menschen mit niedrigem Einkommen durchaus ein Faktor. Und ich muss dafür nicht einmal aus dem Haus gehen.
Dumm gelaufen.
E-Bücher
Aus Platzgründen (wenig Einkommen, daher kleine Wohnung) lese ich vorzugweise auf meinem E-Reader. Das ist ein Kindle. Damals gab es den Tolino noch nicht. Außerdem kann ich für den Tolino nur eingeschränkt englisch-sprachige Bücher kaufen, und die Preise sind… ach egal. Siehe oben.
Und ich glaube kaum, dass dein kleiner, hübscher Buchladen in der Lage ist, mir unkompliziert E-Bücher für meinen Kindle zu verkaufen. Amazon kriegt das hin, und ich kann sofort loslesen.
Dumm gelaufen.
Indie-Autoren
Ich lese gerne Bücher von Indie-Autoren. Dafür gibt’s gleich zwei Gründe:
Erstens sind sie in der Regel deutlich billiger als Verlagsbücher, die ja gerade wieder E-Bücher teurer als Taschenbücher anbieten. Das ist Abzocke, die mich echt verärgert, denn die Produktions- und Bereitstellungskosten für E-Bücher liegen deutlich unter denen für Druckausgaben.
Zweitens verdienen Indie-Autoren an den Büchern, die sie über Amazon verkaufen, deutlich mehr als sie an Tantiemen von Verlagen erhalten würden. Das Geld kommt also direkt beim Autor an, beim Urheber. Und das ist mir durchaus nicht egal.
Aber Bücher von Indie-Autoren gibt’s sowieso nicht im Buchladen. Denn die sind in den Barsortimenten nicht vorgesehen, und deswegen halt nicht bei dir bestellbar. Über Amazon allerdings schon.
Dumm gelaufen.
Die Kultur-Arroganz
Ich finde die Arroganz, mit der viele Verlage und Buchhändler, Literaten und Medien auf Indie-Autoren herunterblicken, ganz und gar unerträglich.
Da wird behauptet, dass nur Verlage in der Lage sind, die Kultur zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung mit angemessenem Lesematerial versorgt wird. Dagegen seien die Produkte von Indie-Autoren grundsätzlich Schund und natürlich in keinem Fall Kultur. Denn nur ein Verlag sei in der Lage, die Qualität eines Manuskripts wirklich einzuschätzen.
Und wieso gibt es dann den Bestseller “50 Shades of Gray”? Natürlich handelt es sich bei dem Buch eindeutig um ein Meisterwerk der neuesten amerikanischen Kultur. Großartige Kultur. Oder ging es vielleicht doch eher um’s Geld?
In meinen Augen darf Kultur von allen Menschen erbracht werden, ohne Auswahl nach Verlagsprogramm oder aktueller Wanderhurenmode. Amazon macht’s möglich, dass Leser das kaufen, was sie lesen wollen. Ohne Bevormundung von Verlagen.
Dumm gelaufen.
Autoren haben auch ohne Verlage gute Chancen
Die Verlage haben eine Heidenangst vor E-Büchern und Indie-Autoren. Aus einem ganz einfachen Grund: Indies brauchen vor allem dank der E-Bücher keine Verlage mehr. Sie können Lektorat, Formatierung, Coverbilder und Marketing ganz einfach selber machen oder bei professionellen Dienstleistern einkaufen. Und dann sind sie in der Lage, ihre Bücher ohne den Mittelsmann Verlag oder Buchladen an die Leser zu bringen.
Das alte Geschäftsmodell Verlag wird gerade von der Digitalisierung des Buchmarkts überrollt. Verlage und deren Lobby Börsenverein kämpfen also einen verzweifelten Abwehrkampf. Mit harten Bandagen und unfairen Mitteln, wie z.B. bei der Preisgestaltung von ISBNs, beim Zugang zu den Barsortimenten, und damit, Buchhandlungen möglichst eine Kooperation mit Indie-Autoren zu vermiesen.
Aber Indies verdienen inzwischen häufig mehr als Autoren mit Verlagsvertrag. Indies sind die Zukunft. Auch dank Amazon.
Dumm gelaufen.
ISBN-Abzocke
Ich finde die Preisgestaltung für ISBNs einfach eine Frechheit. Indies werden regelrecht abgezockt. Deswegen veröffentliche ich meine E-Bücher bei Amazon, wo ich keine ISBN benötige, und Print-Bücher bei CreateSpace, wo das ebenfalls der Fall ist. Natürlich könnte ich zumindest für die Druckausgabe eine deutsche ISBN verwenden. Da kommt allerdings die unfassbare Preisgestaltung für ISBNs hier in Deutschland zum Tragen:
Einzel-ISBN für Indie-Autoren: € 90,98 (keine andere Option)
1000 ISBN für Verlage (mit Gewerbeschein) bei Erstantrag: € 287,33
(Die Kosten für einen Verlag setzen sich wie folgt zusammen:
€ 94,- für die 1000 ISBN
€ 146,- für die Ersteinrichtung der Verlagsnummer, entfällt bei Nachbestellungen
€ 1,45 Versandkosten, die Liste wird tatsächlich per Post verschickt
€ 45,88 Mehrwertsteuer, die das Finanzamt erstattet)
Verlage zahlen also für 1000 ISBNs im Endeffekt weniger (nach Erstattung der Mehrwertsteuer), als ein Selbstverleger für 3 ISNBs. Und die nächsten 1000 ISBNs sind dann in etwa so teuer wie eine einzelne (!!) ISBN für einen Selbstverleger.
Das überrascht nicht wirklich, denn die Agentur für Buchmarktstandards, die in Deutschland für ISBNs zuständig ist, ist eine 100%ige GmbH des Börsenvereins, der wiederum Lobbyverband der Verlage in Deutschland ist.
Und dieser Lobbyverband mag natürlich keine Selbstverleger. Die brauchen nämlich dank Amazon und Co keine Verlage mehr. Ob der Börsenverein deswegen vielleicht auch Amazon so fürchtet?
Interessanterweise verweist die Seite der Agentur für Buchmarktstandards neuerdings auf Dienstleistungen für Selbstverleger auf “Expertenseiten des Börsenvereins”. Zusätzlich zur ISBN-Abzocke gibt’s also gleich noch mehr Chancen, den Indies das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ein Narr, wer Böses dabei denkt.
In Kanada kosten ISBNs übrigens kein Geld. Sie werden von einer staatlichen Behörde an alle Autoren vergeben, die eine beantragen. Das ist wahre Kulturförderung. Funktioniert nur nicht in Deutschland.
Dumm gelaufen.
Also, lieber Buchhändler.
Du machst es ja echt gut. Du organisierst Lesungen, stellst Bücher vor und schreibst einen schönen Blog mit Buchbesprechungen von literarischen Werken. Du hast Veröffentlichungen im Börsenblatt. Das ist alles toll, lobenswert und sicherlich viel Arbeit. Und ich kann das anerkennen. Du kämpfst für deinen Laden, innovativ und mit viel Herzblut. Und ich mag dich wirklich. Du bist ein feiner Kerl.
Aber mich hast du heute endgültig verloren.
Weil dieses Amazonen-Dissen dumm und überheblich ist.
Weil du mir einfach nicht das bieten kannst, was ich gerne hätte.
Als Kundin.
Und als Autorin.
Schade.