Am Sonntag Abend lockte der Balkon. Mildes Wetter, ein Glas Wein, ein halbes Dutzend Kerzen und ein Buch bildeten die perfekte Kombination für Gemütlichkeit. Ich hatte mir “Uhura’s Song” von Janet Kagan ausgesucht, ein altes Lieblingsbuch von mir. Und während ich so las und es genoß, dachte ich darüber nach, was man alles braucht, wenn man sich eine Welt ausdenkt.
Gerade wenn es um Fantasy geht, gehören dazu in der Regel handgemalte Karten, auf denen man dann mehr oder weniger großzügig Königreiche, Staaten und Städte verteilt. Das hat nicht immer viel Hand und Fuß, aber das ist heute nicht das Thema. Obwohl “Uhura’s Song” als Star-Trek Roman natürlich in der Zukunft spielt, wird darin die wohlbekannte Crew auf einen völlig neuen Planeten geschickt, der so auch in der Serie nicht vorkommt. (Ich bedaure übrigens sehr, dass Paramount derartig lange und tiefgehende Romane nicht mehr im Programm hat.) Das Buch bietet keine Karte. Tatsächlich spielt die Geschichte nur in zwei kleinen Nomadendörfern und auf dem Weg zwischen ihnen. Das ganze Gebiet könnte wahrscheinlich in einen großen deutschen Landkreis passen.
Aber Kagan bietet auf einer anderen Ebene so viel Kreativität, eine so reich ausgestattete Welt, dass mir diese Geschichte immer wieder viel Freude bereitet. Die Bewohner dieses Planeten sind so faszinierend, weil ihre Kultur so umfassend ausgearbeitet wurde. (Okay, Katzenmenschen sind auch einfach cool!) Im Buch geht es um einen lang zurückliegenden Bruch zwischen zwei unterschiedlichen Lebensweisen, der dazu führte, dass die Hälfte der Bevölkerung den Planeten verließ und nur der nomadische Teil zurückblieb. Dieses Ereignis wurde in beiden Gruppen mit einem Tabu belegt, was nun den Konflikt heraufbeschwört, den die Helden lösen müssen. Aber das ist erst der Anfang. Kagan erfindet eine bedrohliche Krankheit (Zeitfaktor!), zwei sehr unterschiedliche und doch nachvollziehbar verwandte Traditionen, ein Initiationsritual und – was mich am meisten fasziniert – eine ganz eigene Ausdrucksweise, die mit dem Körper der Katzenwesen zu tun hat.
Da ich das Buch auf Englisch besitze, weiß ich nicht, wie die deutschen Übersetzer diese Sätze gehandhabt haben. Ich versuche mal, mich den Ausdrücken so anzunähern, dass mein Spaß daran deutlich wird. Wenn man jemanden neckt, dann kann das auf Englisch mit “pull my leg” ausgedrückt werden, womit natürlich nicht gemeint ist, dass man denjenigen wirklich am Bein zieht. Im Buch prägt Kagan den Ausdruck “pull my tail” – was nun auch tatsächlich geschieht, die “Katzenkinder” ziehen sich tatsächlich gegenseitig am Schwanz. Wenn sich ein “Katzenkind” daneben benimmt, wird es “cuffed”, also geboxt. Kagan nutzt den Ausdruck “cuffed with words”, d.h. mit Worten geboxt bzw. abgestraft, um den “Katzen” einen menschlichen Tadel verständlich zu machen.
Mich hat jedenfalls der Aufwand beeindruckt, den Kagan betreibt, um so detailliert in die fremdartige Kultur einer fremden Welt einzutauchen. Sie würzt das Ganze auch noch mit einer so schönen Dosis Humor, dass ich dieses Buch beim Aussortieren von Star-Trek Romanen behalten habe. Im Englischen gibt es den Begriff “worldbuilding”, um die Entwicklung einer fiktiven Welt zu beschreiben. Hier finde ich, passt der Begriff “culturebuilding”, denn es geht mehr um eine fremde, erfundene Kultur als um die physische Welt, in der die Geschichte spielt.
Und jetzt bin ich einfach mal neugierig und frage nach: Entwickelt ihr auch eine eigene Kultur in euren fremden Welten? Plant ihr so etwas oder passiert es einfach, weil eure Heldin z.B. einen passenden Fluch oder ein passendes Gebet braucht? Welche Lieder, Rituale oder ganz eigenen Ausdrücken gibt es in euren Geschichten?